SPORT
Hinfallen und wieder aufstehen

Nick Haasmann zählt zu Österreichs besten Judokämpfern. Seine Karriere wurde oft von Verletzungen überschattet. Nick hat gelernt, diese Verletzungen zu nutzen und sein Leben nachhaltig zu verbessern. Heute ist er ein internationaler gefragter Personal Trainer, der mit seinen innovativen Ansätzen seiner internationalen und nationalen Kundschaft zu einem besseren Leben verhilft.

Nick – erzähl uns bitte kurz, wie deine Karriere gestartet hat.

Mein Vater hat 1984 bei den Olympischen Spielen in der Disziplin Judo teilgenommen. Es wurde mir in die Wiege gelegt. Ich bin damals, 1997, mit vier Jahren in einem Verein gewesen, der nicht den Ansprüchen meines Vaters gerecht geworden ist. Daher hat mein Vater selbst einen Verein gegründet. Er hatte zwar schon ein Fitnesscenter, aber im Jahr 2000 “Galaxy Tigers” gegründet. Das war der Verein, durch den ich richtig viel lernen konnte. Heute, 20 Jahre später, ist der mit acht Meistertiteln der erfolgreichste Judoverein in Österreich. 

Ist ein früher Einstieg in den Kampfsport wichtig für die Entwicklung der Laufbahn?

Ich bin mehrfacher Staatsmeister und österreichischer Meister. Als ich begonnen habe, Judo zu praktizieren, war ich sehr jung. Meiner Meinung nach ist ein früher Einstieg in den Kampfsport wichtig. Wenn ich Kinder hätte, würde ich sie auf jeden Fall Kampfsport ausüben lassen. Man lernt, sein Gegenüber mit Respekt zu behandeln. Es ist eigentlich ein sehr höflicher und zuvorkommender Sport. Das Verbeugen, ist zum Beispiel ein Ausdruck des Respekts. Außerdem lernst du, mit deinem eigenen Körper umzugehen und ihn zu beherrschen. In unserem Verein können die sechsjährigen Kinder schon Saltos rückwärts. *Wenn man professionell kämpfen möchte, ist ein junger Einstieg unabdinglich. Die Redensart “Was Hänschen nicht lernt, lernt Hans nimmermehr.” kann ich nur bestätigen.*

Am Anfang deiner Karriere haben die Erfolge leider auf sich warten lassen. Wie konntest du diese Flaute beenden? 

Anfangs konnte ich kaum Erfolge verzeichnen. Dennoch habe ich hart trainiert. Ich bin 2008 in die Oberstufe des Leistungssportzentrum Südstadt gekommen, wo alles auf den Sport ausgelegt ist. Von 07:30 Uhr bis 09:30 Uhr hatten wir Training, von 10:00 Uhr bis 13:00 Uhr hatten wir Unterricht. Danach hatten wir das zweite Training, und abends dann das dritte Training. Das sind drei Trainings pro Tag, sechs Tage pro Woche, fünf Jahre lang gewesen. Alles wurde dem Sport untergestellt. Bis 2012, dem Maturajahrgang, hatte ich sehr wenig Erfolg. Wenn man im Judo um den dritten Platz kämpft ist der Grad sehr schmal. Gewinnt man, ist man Dritter, verliert man ist man Fünfter, da es zwei dritte Plätze gibt. Ich habe mehrere Male diesen falschen vierten (weil eigentlich fünften) Platz gemacht, also nie eine Medaille erhalten. *Der Druck wurde immer größer – vor allem von mir selbst. Dann habe ich erkannt, dass ich mental etwas ändern muss.* Ich habe mit Mentaltraining begonnen, das hat aber leider nicht geholfen. Und dann bin ich auf einen Vortrag von Frau Dr. Carol Dweck gestoßen: Growth Mindset. Es gibt Growth Mindset und Fixed Mindset. Growth Mindset ist “Ich kann alles schaffen.” oder “Ich probiere es so lange, bis ich es schaffe.”. Fixed Mindset im Gegenzug ist: “Ich kann einige Sachen gut.” und “Es ist zu schwer, ich höre auf.” Und seitdem ich diesen Unterschied angenommen habe, wurde ein Schalter bei mir umgelegt. Gleich bei meinem ersten Antritt, der allgemeinen Staatsmeisterschaft, im alter von 19 Jahren, habe ich den Staatsmeistertitel für Erwachsene, einen Monat später dann den Junioren-Staatsmeistertitel und wieder einen Monat später den U23-Staatsmeistertitel und dann noch in der Mannschaft gewonnen. *Das heißt, ich habe vier Staatsmeistertitel in einem Jahr geholt – das gab es bis zu diesem Zeitpunkt noch nie.*

Du hattest nach deiner Erfolgsserie leider einige Verletzungen. Hat dich das stark zurückgeworfen? 

Von 2013 bis 2015 habe ich von über 40 Kämpfen in Österreich keinen einzigen Kampf verloren. Dann bin ich in Rom beim Weltcup angetreten, circa ein Jahr vor den Olympischen Spielen in Rio de Janeiro. Nach einer zehnstündigen Heimreise habe ich den Fehler gemacht, direkt zum Training zu fahren. Ich war übermüdet und hätte mich stattdessen ausruhen sollen. Dann habe ich mir mein Knie verletzt, sämtlichen Bänder wurden ein- oder sogar abgerissen. Durch eine falsche MRT-Diagnose habe ich viel Zeit verloren. Drei Monate nach der Verletzung wurde das Knie einer Operation unterzogen. Normalerweise dauert die Rehabilitation eines Kreuzbandes zwischen sechs und neun Monaten. Nach kurzzeitiger, rascher Besserung meines Zustandes hat sich herausgestellt, dass ein weiteres, sehr seltenes medizinisches Problem vorliegt. Danach habe ich einen deutschen Spezialisten konsultiert, der auch viele prominente Patienten hatte – unter anderem viele NBA-Spieler und Usain Bolt – und mir auch endlich helfen konnte. Dennoch habe ich eineinhalb Jahre kein Judo machen können. Bei meiner Rückkehr und drei Monate langem, hartem Training war ich wieder sehr gut in Form. Dann beim ersten, stärkeren Sparring habe ich mir allerdings eine Verletzung des Sprunggelenkes zugezogen. Um das wieder zu richten, musste ich im Jahr 2017 zwei weitere Operationen über mich ergehen lassen. 

Inwieweit haben die Verletzungen dein Mindset betroffen?

Meiner Meinung nach sind die vorgefallenen Verletzungen unter anderem der Grund dafür, wieso ich so bin, wie ich bin und wieso ich mental so stark bin. Das hat mich zu dem gemacht, was ich heute bin. Ich habe mir immer gesagt: Wenn ich das überstehe, kann mich nichts mehr niederreißen. 

Du hattest mehrere Comebacks. Hat sich dein Denken und deine Ansichten zu Wettbewerbe im Laufe der unterschiedlichen Etappen deiner Karriere geändert? 

Ich hatte inzwischen vier Comebacks, jeweils nach jeder großen Verletzung. Jedes Mal hat sich mein Mindset ein wenig geändert. Ich habe gelernt, alles ein wenig lockerer zu sehen – ganz nach dem Motto: “Was soll schon großartig passieren? Das Leben geht weiter.” Wieso? Weil ich zeitgleich auch begonnen habe als Personal Trainer zu arbeiten. Diese Selbstverwirklichung habe ich nicht nur bei mir selbst umgesetzt, sondern konnte auch anderen dabei helfen, sich selbst zu entwickeln. Nicht jeder ist für den Judosport geeignet. Es hat nur nicht für das gereicht, was ich erreichen wollte. Das werde ich sicher immer ein wenig bereuen. Dennoch konnte ich im Training Olympiasieger schlagen. Und abgerechnet wird zum Schluss. 

Worauf bist du besonders stolz? 

Ich habe viele Verletzungen einstecken und harte Niederlagen ertragen müssen. Trotzdem habe ich nie aufgegeben. Auch privat hatte ich eine Rückschläge und Einbußen gehabt, und trotzdem immer versucht das Beste daraus zu machen. Im Rückblick auf Judo macht mich am meisten stolz, dass ich von vielen österreichischen Judokämpfern als der Athlet mit der besten Techniker gesehen wurde. Natürlich blicke ich auch oft sehr stolz auf das Jahr zurück, wo ich als erster und einziger Judokämpfer vier Staatsmeisterschaftstitel holen konnte. 

Du nimmst zwar noch immer bei Wettbewerben teil, hast dich aber auch im Jahr 2015 selbstständig gemacht. Seitdem arbeitest du als Personal Trainer mit mehreren nationalen und internationalen Kundinnen und Kunden. Wie war der Schritt vom Trainierenden zum Trainer für dich? 

Eigentlich wollte ich mir das Wissen der besten Trainer der Welt aneignen, um mich selbst zu einem besseren Sportler zu machen. Davon hat natürlich meine sportliche Leistung auch sehr profitiert. Kurz danach ist mir bewusst geworden, dass wenn ich mir selbst damit so helfen kann, ich mein Wissen auch an andere weitergeben und ihnen damit helfen kann. Nach zwei Jahren mit wenigen Kunden hatte ich dann 2018 den Durchbruch als Personal Trainer. Viele Personen, die Personal Trainer werden möchten, nehmen die Ausbildung nicht so ernst, wie sie genommen werden sollte. Ich habe mir damals meine Ausbildung selbst finanziert. Durchschnittlich ist ein Personal Trainer zwischen drei und sechs Monaten am Markt – unter anderem durch fehlende Erfolge wegen einer unzureichenden Ausbildung. Ich habe meinen Fokus damals nicht, wie viele andere, auf Instagram gelegt, sondern mich auf die tatsächlichen Erfolge meiner Klienten konzentriert. Dadurch konnte ich vielen Personen helfen, ihr Leben langfristig zu verbessern. Fettabbau, Muskelaufbau, mehr Energie, besseres Mindset – das waren die Punkte, die für mich im Vordergrund gestanden sind. Und so konnte ich internationale und nationale Kunden gewinnen. 

Was verbindet das Unternehmertum mit Kampfsport? Gibt es Zusammenhänge?

Ich finde, dass viele Kampfsportler von Unternehmern und viele Unternehmer von Kampfsportlern lernen können. Man kann als Unternehmer nicht nur die offensichtlichen Bereiche abdecken, man sollte auch Entrepreneur und Visionär, und trotzdem pragmatisch bleiben. Es gibt immer wieder Rückschläge. Folgender Spruch hat mich sehr geprägt: *Die einzige Konstante ist Veränderung.* Das ist sowohl im Kampfsport als auch in meinem Alltag als Unternehmer sehr zutreffend. Das einzige, was tatsächlich immer konstant bleibt, ist die Veränderung. Alles andere ändert sich mit der Zeit, den Kunden und meinem Wissen. 

Beim Judo geht es außerdem um eines: *hinfallen und wieder aufstehen*. Du fällst und liegst am Rücken. Du weißt du hast verloren. Dennoch stehst du auf, richtest deine Kleidung, deinen Gürtel und verbeugst dich. Du lernst, Fehler einzugestehen und dich der Situation sofort zu stellen. Und dann fragst du dich: Was kann ich tun, um weiter zu kommen? Sowohl im Unternehmertum als auch im Kampfsport geht es meiner nach um Kaizen. *Egal, wie klein der Schritt ist, den man macht – man kommt trotzdem einen Schritt weiter. Und das bringt dich irgendwann ins Ziel.*

Was Nick zum Thema “erfolgreicher Alltag” zu sagen hat lesen sie in unserer neuesten Ausgabe!

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